An einem Donnerstag im Oktober führte die Sehnsucht nach einem schönen Fisch mich und meine Angelkumpels Murat und Luis mal wieder auf den kleinen, aber feinen Hundekehlesee. Es lag Herbstatmosphäre in der kühlen Luft, ideal um gut eingepackt der Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Luis und ich waren reativ warm angezogen, waren mit Proviant und umfassendem Angelequipment bewaffnet und hatten wie immer das Gefühl, gut vorbereitet zu sein, doch Chefspießer Murat belehrte uns bereits nach wenigen Minuten eines Besseren. Anfangs wurde er mit seinem aufblasbaren Sitzkissen und seiner Thermoskanne noch ein wenig belächelt, doch zumindest der heiße Tee wurde mit zunehmender Dauer zugegebenermaßen immer attraktiver. Und so war es auch Murat, der sich als erster mit einem schönen Barsch entschneiderte.
Jedes Mal, wenn man jemandem sein Hausgewässer zum ersten Mal zeigt, steht man ein wenig unter Druck, die Fängigkeit des Gewässers unter Beweis zu stellen. Immerhin holte Murat relativ zügig einen zweiten Barsch ins Boot, so dass zumindest er erstmal Erfolgserlebnisse verbuchen konnte. Doch bei uns beiden anderen konnte es das noch nicht gewesen sein. Luis, der hauptsächlich mit Spinnern unterwegs war, konnte gar keine Bisse vermelden und ich, der es bisher mit verschiedenen Gummiködern versucht hatte, war bis dato auch noch erfolglos. Wir wechselten mehrfach die Stelle und auf der Seite des Sees an dem das Steffi-Graf-Stadion steht, warf ich einen 10 cm Gummifisch (Pinky von Lieblingsköder) direkt an ein Seerosenfeld. Ich sprach mit dem Köder: "Komm schon, Pinky, jetzt mach endlich was!" Und wie bescheuert es auch klingt, als hätte sich der kleine Pinky jetzt besonders viel vorgenommen, bog sich meine Rute und er bescherte mir einen kleineren Hecht. Na geht doch, sagten wir uns. Niemand brach in überbordende Jubelstürme aus, doch der erste Hecht des Tages gibt einem immer erstmal ein sehr gutes Gefühl!
Doch dieses gute Gefühl ist leider nicht immer ein Gut von großer Nachhaltigkeit, je länger der Folgebiss auf sich warten lässt, desto schneller kann der Optimismus einer tiefen Sehnsucht weichen. So war es auch in unserem Fall. Es passierte längere Zeit gar nichts und wärmer wurde es auch nicht gerade (Es war plötzlich total lässig, Spießertee zu trinken.) In seiner Verzweiflung, noch immer als Schneider auf dem Boot zu stehen, fragte Luis nach Murats kleinem Gummifisch von Illex, mit dem er vor einer gefühlten Ewigkeit die Barsche hatte überlisten können. Er gab ihm den Köder nettweise und Luis konnte mit dem ersten Wurf und einem kleinen Barsch sofort seine dunkle Bilanz aufwerten. Er legte einen zweiten und dritten Barsch nach, doch die Sehnsucht nach einem großen Hecht wuchs bei allen weiter, zumal ja zumindest zwei von uns ganz sicher wussten, welches Potenzial an diesem See vorhanden ist. Und plötzlich sahen wir ihn, den großen Räuber. Direkt am Boot schnappte er sich Luis' Köder. Doch so schnell er gekommen war, war er auch wieder gegangen. Da Luis schon komplett eingeholt hatte, verpasste er den Anschlag und der Hecht konnte sich sofort befreien. Wir allen schauten ihm wehmütig hinterher und er ließ uns mit gemischten Gefühlen zurück.
Wir diskutierten: Einerseits ist es natürlich immer scheiße, einen Fisch zu verlieren. Doch ist es nicht immer noch besser, ihn wenigstens zu sehen, seine Existenz bestätigt zu bekommen und seine Power bewundern zu können, auch wenn er es dann noch nicht ins Boot schafft? Wir waren kurze Zeit unschlüssig, doch nach ein paar Momenten musste der Hauptbetroffene Luis zugeben, dass der Ärger doch etwas überwog. Und die Sehnsucht damit nur vergrößerte.
Es war bereits 16 Uhr und Luis musste abhauen, doch Murat und ich konnten einfach nicht. Es war wieder die Sehnsucht, die den letzten Funken Hoffnung auf einen großen Hecht am Leben erhielt. Wir wechselten weiter fleißig Stellen und Köder und kurz bevor es dunkel wurde kamen wir wieder bei den Seerosen an. Ich wechselte die Strategie: Ich zog einen 10 cm Lieblingsköder (Whisky Orange) auf einen 21g schweren Jigkopf und warf aus. Ich ließ ihn 2 Sekunden absinken und holte zügig ohne Pausen ein. Und BAAAAAM! Da war es, das Gefühl, von dem jeder Angler träumt. Das Gefühl, wegen dem die viel beschriebene Sehnsucht überhaupt existiert. Beim Anschlag konnte ich sofort spüren, dass am anderen Ende ein toller Jäger kämpfte. Nach einem klasse Drill und viel Adrenalin bei allen Beteiligten konnte ich einen super Hecht ins Boot holen. Ich war überglücklich und Murat konnte ich seine Freude auch ansehen. Es war natürlich überragend, in so einem Moment zufällig einen Profifotografen an Bord zu haben.
Mit dem nächsten Wurf fing ich an der selben Stelle noch einen schönen Barsch. So ist Angeln manchmal! Total zufrieden und gleichzeitig erschöpft, machten wir uns gegen 17:30 Uhr auf den Nachhauseweg. Als ich abends dann total glücklich in Bett fiel und ich den Tag Revue passieren ließ, kribbelte es wieder. Es war die Sehnsucht des Anglers, die sich ganz vorsichtig, doch deutlich spürbar wieder in meinen Gedanken breit machte. Bis zum nächsten Mal wünsche ich euch allen ratternde Rollen!
Euer Daniel